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Kasuistik: Heilung von Keratoakanthomen durch frühe Thermokoagulation statt Chirurgie

Günter Valet



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Zusammenfassung: Keratoakanthome sind schnell wachsende, druckschmerzhafte Tumoren, die anfänglich mit einer Furunkelbildung verwechselbar sind. Ihre Größe kann sich innerhalb weniger Tage verdoppeln, bei geringer oder fehlender Metastasierungstendenz. Die chirurgische Entfernung 4-5mm im gesunden Gewebe zur Vermeidung lokaler Rückfaälle, kann zu Problemen bei der Wunddeckung (Ohr, Nase) führen. Unempfindlichkeit gegen lokale antibiotische Behandlung unterscheidet sie früh (4-6 Tage) von infektiösen Läsionen. Während dieser Zeit können sie ohne Rückfall oder Narbenbildung mittels einer Serie von Stecknadelkopf großen Thermokoagulationen entfernt werden.

Schmerzhaftes Knötchen rechte Wange: Im Juni 2018 entwickelte sich ein druckschmerzhaftes, gerötetes stecknadelkopfgroßes Knötchen etwa 2cm unterhalb des rechten Jochbeinbogens. Unter Annahme einer lokalen Infektion wurde mit Antibiotikumsalbe (Aknemycin, 20mg Erythromycin/g) ohne Erfolg behandelt. Eiter bildete sich bei weiterem Wachstum nicht (Abb.1), Am 11.Tag wurde das Gewächs mit 30% Trichloressigsäure bei 2mm Überlapp ins Gesunde tief verätzt, was in den folgenden Tagen das Zentrum, nicht aber die weiter wachsende Peripherie zerstörte. Danach wurde mehrfach Actikerall (5mg/g 5-Fluoruracil, 100mg/g Salizylsäure) ebenfalls mit 2mm ins Gesunde aufgetragen. Das entfernte die epitheliale Deckung, hatte aber keine erkennbare Wirkung auf das Gewebewachstum.

Therapie: Nach 6 Wochen wurde in einer Universitätshautklinik eine Probeexzision im Randbereich entnommen und ein Plattenepithelkarzinom (Differentialdiagnose Keratoakanthom) festgestellt und zur operativen Entfernung geraten. Die Unterscheidung Plattenepithelkarzinom (weißer Hautkrebs)/Keratoakanthom ist morphologisch schwierig (1) aber molekularbiologisch (2) möglich. Plattenepithelkarzinome entwickeln sich eher langsam und schmerzfrei, bei schnellem Fortschritt von Keratoakanthomen. Einholung einer 2.Meinung führte ebenfalls zur Empfehlung einer chirurgische Entfernung. Wegen der Schwierigkeit, einen zeitnahen Operationstermin zu bekommen, wurde der Tumor erst 9 Wochen nach Erstwahrnehmung bei 14-15mm Durchmesser (28. und 62.Tag) rezidivfrei entfernt, bei nachfolgend gleicher histopathologischer Einschätzung aus dem Operationspräparat.


Wange 7 Tage  Wange 28 Tage  Wange 62 Tage  Wange 48 Monate

Abb.1 Keratoakanthom der rechten Wange am 7. (links), 28. (Mitte links), 62.Tag (Mitte rechts) sowie die mehrzentimetrige Narbe 48 Monate nach chirurgischer Entfernung am 66.Tag (rechts) (Bilder zur Vergrößerung anklicken).

Schmerzhafter rechter Nasenflügel: Im Januar 2021 bildete sich am rechten Nasenflügel ein kleiner geröteter Schmerzbereich, der sich trotz Aknemycinbehandlung ohne Bildung eines Eiterpunkts bis zum 7.Tag nach Erstwahrnehmung auf etwa 4mm Durchmesser vergrößerte (Abb.2 oben links), was ein erneutes Karatoakanthom vermuten lies. Nach der gemachten Erfahrung würde der Tumor bis zur operativen Entfernung soweit wachsen, dass es zu einer nicht deckbaren sektoralen Ausschneidung des Nasenflügels 4-5mm im Gesunden und Abdeckung des fehlenden Bereichs durch eine herausnehmbare Prothese kommen könnte, falls nicht schneller wirksam therapiert würde.

Ausbrennen mit Nagelkopf: Die Überlegung war, den über der Basalmembran der Haut wachsenden Tumor durch oberflächliches Ausbrennen zu beseitigen. Im ersten Anlauf wurde dazu am 7.Tag ein Eisennagel mit einem der Tumorgröße entsprechenden Nagelkopf über einer Gasflamme auf Rotglut erhitzt und dann unter Spiegelkontrolle selbst kurzzeitig auf den Tumor gepresst, was initial einen erheblichen Schmerz, nach thermischer Inaktivierung der oberflächlichen Hautnervenenden durch den Erstkontakt, Nachbrennkorrekturen bei gefühlsmäßig einem Lokalanästhesie ähnlichen, weniger schmerzhaften Zustand erlaubte. Die entstehende Wunde wurde am 11.Tag mit 3% Wasserstoffperoxid (H2O2) Lösung zur Entfernung toten Gewebes abgewischt. Sie schien sauber und scheinbar tumorfrei (Abb.2 oben Mitte links), was sich nach erneuter Entfernung der Wundkruste am 18.Tag als Täuschung herausstellte (Abb.2 oben Mitte rechts. Der Tumor war im Zentrum getroffen, im Randbereich aber deutlich gewachsen. Vor allem bestand Einwachsgefahr in den Naseninnenraum, wo er thermisch mit den verfügbaren Mitteln nicht mehr erreichbar sein würde.

Elektroniklötkolben 40Watt: Deshalb wurde im zweiten Anlauf ein auf 340C eingestellter Elektroniklötkolben mit V2A Stahlspitze und einer Endfläche von etwa 2x2mm eingesetzt. Nach Abstützung des rechten Ellenbogens am Spiegelschrank des Badezimmers konnte die Spitze zitterfrei und präzise auf die Tumoroberfläche aufgetupft werden. Als Vorsorge gegen Tumorzellwachstum im Randbereich wurden sowohl der Tumor als auch unmittelbar an den Tumor angrenzende Bereich vor der Thermobehandlung auf 2mm ins Gesunde mit 30% Trichloressigsäure verätzt, um vorab die Zellen am Proliferationsrand des Tumors zu beseitigen. Danach wurde das Tumorgewebe Punkt für Punkt durch kurzen Kontakt mit der Lötspitze verdampft. Dabei führte leichtes Auftupfen der Zeigefingerkuppe auf die Wundfläche bei noch vorhandenem Tumorgewebe zu einem stechenden Druckschmerz, während dieser in erfolgreich therapierten Bereichen fehlte. Vor allem der untere und Richtung Naseninnenraum reichende Bereich des Tumors erforderte zahlreiches Nachtupfen, das aber immer oberflächlich gehalten wurde (Abb.2 oben rechts), um unnötige Gewebsverluste, und damit die spätere Narbenbildung zu minimieren, was bei vollkommen erhaltener Oberflächensensibilität gelang (Abb.2 unten rechts).


Nase  7 Tage  Nase 11 Tage  Nase 18 Tage  Nase 19 Tage
Nase 39 Tage  Nase 67 Tage  Nase 21 Monate

Abb.2 Schmerzhafte Schwellung am rechten Nasenflügel (7.Tag, oben links), die nach sofortiger thermischer Behandlung bis zum 11.Tag zu einer sauberen, scheinbar tumorfreien Wundfläche führte (oben Mitte links). Am 18.Tag zeigte sich allerdings, dass zwar das Tumorzentrum gut getroffen war, nicht aber der deutlich proliferierende Randbereich (oben Mitte rechts). Das vorsichtige Antupfen des Tumorbereichs mit der V2A Stahlspitze eines Elektroniklötkolbens (40W, 340C) am 19.Tag verdampfte das Tumorgewebe (oben rechts) mit am 39.Tag fortschreitender Heilung (unten links), die sich bis zum 67.Tag (unten Mitte) fortsetzte und zu einem praktisch narbenfreien Endresultat (21.Monat, unten rechts) führte (Bilder zur Vergrößerung anklicken).

Erfordernis frühzeitiger Intervention: Trotz zufriedenstellendem Resultat der Keratoakanthombehandlung am rechten Nasenflügel (Abb.2 unten rechts) sollte beim erneuten Auftreten von Keratoakanthomen früher als 7 Tage nach dem Entstehen entzündlicher, antibiotikumresistenter Schmerzpunkte mit anfänglich stecknadelkopfgroßen, harten Knötchen eingegriffen werden (Abb.3). Sie stehen im Gegensatz zu den diffusen Schwellungen mit Eiterbildung bei infektiöser Ursache.


Stirn  4 Tage  Stirn  5 Tage  Stirn 28 Tage

Abb.3 Das Keratoakanthom in Stirnmitte am 4.Tag (links) wurde angesichts Antibiotikumresistenz und Ausbildung harter, im Nahbild blumenkohlartig wachsende, druckschmerzhafte Knötchen noch am selben Tag thermokoaguliert, mit Krustenbildung am 5.Tag (Mitte) sowie praktisch narbenfreier Abheilung am 28.Tag (rechts). Zur besseren Beurteilung empfiehlt es sich, verdächtige Läsionen in zeitlicher Entwicklung unter Einschluss eines Maßstabs in Naheinstellung mittels Kamera oder Handy zu fotografieren, da sonst Details bei direkter visueller Beurteilung nicht genügend aufgelöst sind (z.B. links) (Bilder zur Vergrößerung anklicken).

Schlussfolgerungen: Angesichts der schnellen Entwicklung von Keratoakanthomen sollten die auf leichten Druck stechend schmerzenden, Antibiotikum resistenten Entzündungsbereiche mit anfänglich stecknadelkopfgroßem, derbem Zentralknötchen bis zum 4.Tag identifiziert und spätestens bis zum 6.Tag durch oberflächliche Thermokoagulation entfernt werden.

Angesichts der typischerweise mehrwöchigen Wartezeiten für jeweils Erstvorstellung, Probeexzision, Befundung und schließlich chirurgische Entfernung im öffentlichen Gesundheitswesen, gelingen Frühentfernungen von Keratoakanthomen im praktischen Leben nur, wenn Betroffene entsprechend der geschilderten Vorgehensweisen selbst tätig werden. Nach Wange, Nasenflügel und Stirnmitte wurden zusätzlich zwei Akanthome im Schläfenbereich in gleicher Weise und mit gleichem Erfolg, wie beim Stirnmittenakanthom behandelt, was gute Reproduzierbarkeit anzeigt.

Referenzen:
1. Keratoacanthoma https://en.wikipedia.org/wiki/Keratoacanthoma

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